Bei neuen Produkten sind in der Regel neue Werkzeuge und häufig auch Anlagen erforderlich. Ist es für den Maschinen-/Anlagenlieferant nicht möglich den Nachweis der Maschinen- / Prozessfähigkeit termingerecht zu erbringen, droht eine Verschiebung der Serienfertigung und somit eine Anlaufverschiebung. Das Risiko eines Terminverzugs wird häufig durch die Auftraggeber noch erhöht. Beispielsweise hatte aus „Termingründen“ ein Kunde von mir auf eine Anlagenvorabnahme (Funktion, Maschinenfähigkeit, Ausführung) vor der Verlagerung beim Hersteller verzichtet. Die Anlagen wurden bei meinem Kunden aufgebaut und in Betrieb genommen. Bei der Inbetriebnahme konnte dann erst mit der Fehlerbeseitigung und Optimierung begonnen werden. Auf Grund der räumlichen Distanz zu den internen Spezialisten aus der Werkstatt für die mechanische / elektrische Optimierungen kam es zu Verzögerungen. Zu denen dann wieder die Verschiebungen der Spezialisten aus der Programmierung addiert werden mussten.Dies gilt bei inländischen als auch ausländischen Lieferanten im Besonderen.
Der Einkauf ist bestrebt, ein Gesamtpaket zu vergeben und Kosten zu reduzieren. Bei Bestellung vergleichbarer Anlagen sind Kostenreduzierungen auf Basis von vorherigen Auftragsverhandlungen (vergleichbare Anlagen mit vergleichbarem Standard) oft ein fester Bestandteil. Die Basis für die Preisverhandlungen von Folgeanlagen ist der erstmalig gewährte Nachlass, der auf die Folgeprojekte übertragen werden soll. Zusätzlich wird eine festgelegte Kostenreduzierungen durch geringere Konstruktionsumfänge (in Abhängigkeit vom Komplexitätsgrad ca. 7-10%) angestrebt.
Diesen Kosteneinsparungen stehen Risiken einer Terminverschiebung gegenüber. Es ist zu berücksichtigen, dass Anlagenhersteller häufig nur über begrenzte personelle Ressourcen verfügen. Bei der Auftragsvergabe sollten diese Ressourcen auch unter der Berücksichtigung möglicher (wahrscheinlicher) Änderungen abgeklärt werden. Im Einzelfall sind die Risiken abzuwägen und in Zweifelsfällen ist eine Auftragssplittung an zwei Lieferanten anzustreben.
Ein weiterer Nachteil der beschriebenen Einkaufspraxis kann die Vergabe eines zu hohen Umsatzvolumens an einen Lieferanten sein. In einem konkreten Fall erhielt der Lieferant einen Auftrag, der seinem Umsatz von einem Jahr entsprach. Die Anlagen des Lieferanten hatten Terminverzug und die Funktionalität war nur bedingt gegeben. Nachbesserung war erforderlich und zwischenzeitlich mussten Teile extern zugekauft werden. Die Umsetzung der Forderungen meines Kunden hätte zu einem Konkurs des Lieferanten geführt, sodass zwangsweise auf Forderungen verzichtet werden musste.
Bei der Auftragsvergabe sollte zusätzlich der Umsatz des Lieferanten berücksichtigt werden (max. ca. 50% des Umsatzes als Auftragswert – sofern möglich) und die Abhängigkeit begrenzt werden – der Kunde wird erpressbar. Mittlerweile ist die Abstimmung und Optimierung der Hardware relativ kurzfristig umzusetzen. Häufig fehlen die Spezialisten (SPS, sonstige Software Programmierer) beim Anlagenhersteller und auch beim Kunden. Insbesondere bei größeren Auftragsumfängen und komplexeren Anlagen werden Programmierarbeiten an Externe vergeben - es fehlt der Überblick über das Gesamtsystem. Dies wird leider häufig dadurch verstärkt, dass die Auftraggeber nur bedingt datentechnische Schnittstellen definiert, mangelnden Strukturvorgaben macht und ein entsprechendes Lastenheft fehlt.
Diesbezügliche negative Erfahrungen sammelte ich in einem Projekt, wo eine umfangreichere Anlage mit mehr als 14 Einzelstationen an einen Anlagenhersteller vergeben wurde. Die SPS Programmierung wurde von vier Programmierern durchgeführt. Anschließend wurde bei der Anlagenoptimierung häufig ein Fehler an einer Station beseitigt und es tauchten Fehler an anderen Stationen auf. Es fehlte der übergeordnete Experte, der den gesamtheitlichen Überblick über die gesamte Softwarearchitektur verfügte.
Lastenhefte werden oft kopiert, zumindest einige Abschnitte und nicht bezüglich einer durchgehenden Konsistenz geprüft. Bei Anlagen gibt es nur in Ausnahmefällen einen Standard. Der Stand der Technik entwickelt sich immer weiter (z.B. Elektronik mit anderen, optimierten Komponenten) und deshalb sollte dementsprechend ein vorhandenes Lastenheft auch bei einer neuen Bestellung aktualisiert werden. Bei der Erstellung eines Lastenheftes ist es empfehlenswert, die Produktion mit in die Lastenhefterstellung einzubinden und das vorhandene Prozesswissen mit zu integrieren.
Jeder Anlagenlieferant hat sein eigenes Knowhow und leitet daraus das entsprechende Anlagenkonzept ab. Es ist empfehlenswert, auf ein Pflichtenheft zu drängen und im Vorfeld Unklarheiten zu beseitigen. Geld fördert die Motivation und kann Termine beschleunigen. Neben der Vereinbarung einer Pönale (gesetzlich auf 5% des Auftragswertes begrenzt) ist auch über eine Erfolgsprämie nachzudenken – Einhaltung oder Unterschreitung des vereinbarten Termins der Inbetriebnahme auch unter Berücksichtigung der Änderungswünsche.
Anlagenausfälle können zu Stillständen bei Folgeprozessen (anderer Lieferant) und auch zu zusätzlichen Aufwand führen. Im Regelfall können eigene Mitarbeiter dem Lieferanten nicht in Rechnung gestellt werden. Bei Sonderaufwenden (z.B. externe Beschaffung zugeschnittener Bleche) kann dies mit den Zahlungen an die Lieferanten verrechnet werden und sollte, wie auch die Plus-Minus Liste laufend gepflegt werden.
Ist die Anlage vor Ort empfiehlt sich die Einbindung der eigenen Instandhaltung, um die Anlage frühzeitig kennenzulernen. Zur Vermeidung von Stillstandzeiten sollten relevante Ersatzteile auch bei der Inbetriebnahme verfügbar sein und möglichst auch die entsprechende Ersatzlieferung mit dem Anlagenhersteller vereinbart werden.
Das Team des Lieferanten zur Inbetriebnahme ist im Regelfall nur einschichtig vor Ort, sodass in einer 2.Schicht oder am Wochenende die notwendige Unterstützung fehlt. Vorab geschultes eigenes Personal kann helfen, aber für den Notfall empfehle ich den Einsatz von Datenbrillen (z.B. AMA expert Eye) sowie Systeme zur Real-Time-OEE (Overall Equipment Effectiveness: Gesamtanlageneffizienz) –Messung.
Am Projektanfang sollten mögliche Risiken mit dem Anlagenhersteller bewertet werden. Es empfiehlt sich:
- Lastenhefterstellung für Soft- und Hardware (möglichst auch Pflichtenheft) zu erstellen
- Faktenbasierte Auftragsvergabe (Kompetenz, Preis, Ressourcen, Verhältnis Umsatz zu Auftragswert)
- Vereinbarung einer Pönale und Verfolgung von Mehrwände bedingt durch Anlagenstörungen
- Vorabnahme immer vor Ort beim Anlagenlieferanten
- frühzeitige Einbindung der Instandhaltung in die Inbetriebnahme der Anlage
- Einsatz von Fernwartung und Ersatzteilbeschaffung rechtzeitig zu initiieren.
Es ist sicher nicht einfach umzusetzen, aber es hilft, frühzeitig Maßnahmen gegen Abweichungen einzuleiten und sich im Extremfall auch von Lieferanten zu trennen. Sofern Lieferanten das Gefühl vermittelt bekommen, wir sind nicht ersetzbar, wird dies zu negativen Auswirkungen hinsichtlich Ihres Performance führen. Versuchen Sie immer mehrgleisig Ihren Anlauf zu planen.
Eine neue Anlage und deren Integration in die Fertigung ist wegen nicht planbarer Risiken immer eine terminliche Herausforderung. Je besser die Planung im Vorfeld ist und je konsequenter die Inbetriebnahme verfolgt wird, desto mehr kann das Risiko einer Terminverzögerung reduziert werden.