Solange 'besser' möglich ist,
ist 'gut' nicht gut genug.

Roadmap Projektsanierung

Der Ablauf einer Projektsanierung erfolgt in mehreren Phasen und ist vergleichbar mit den bekannten Projektmanagementphasen. Zusätzlich werden diese Phasen durch eine Konfliktdeeskalations- und eine Projektübergabephase ergänzt. Im Regelfall ist der Projektsanierer nur temporär im eigentlichen Entwicklungsprojekt eingebunden und übergibt das Projekt anschließend wieder an das ursprüngliche Projektteam.

Im Krisenfall ist die Kommunikation durch Emotionen (z. B. Angst, Resignation) belastet, der Konflikt häufig vielschichtig und die Steakholder haben teilweise sehr unterschiedliche Interessen. In diesen Fällen stellt die Mediation ein probates Tool zur Erarbeitung einer nachhaltigen Konfliktlösung dar. Dies setzt aber voraus, dass der OEM (Automobilhersteller) und der Lieferant in der Lage sind, eine Lösung zu erarbeiten und sie auch zu realisieren.

Die Mediation ist ein Verfahren zur Konfliktbeilegung. Die Verantwortung zur Konfliktbeilegung und der Lösungserarbeitung liegt bei den Konfliktparteien (OEM – Lieferant) und der Mediator (Projektsanierer) führt durch das Verfahren. Im Mittelpunkt der Mediation stehen die Menschen, mit denen die Problemstellung hinterfragt (Trennung von Sache und Person) und gemeinsam Lösungen erarbeitet werden. Im Gegensatz zum Mediationsverfahren herrscht ein extremer Termindruck, sodass vom Projektsanierer erkannte Verbesserungsmaßnahmen teilweise kurzfristig umgesetzt werden müssen.

In der nachfolgenden Tabelle werden die Phasen aus der Projektsanierung den vergleichbaren Begrifflichkeiten der fünf Verfahrensschritte aus der Wirtschaftmediation gegenübergestellt.

Phase Aktivität Phase Mediation
Initiierung Auftragsabklärung mit dem Top Management des Lieferanten (Rollenklärung)
Stakeholderanalyse
* Kommunikationsablauf strukturieren
Einleitung und ein erstes Bild vom Konflikt gewinnen
Situationsanalyse Ist-Analyse mit allen Stakeholdern
Projektreview
* Sichtung relevanter Dokumente
Darstellung der Standpunkte und Themensammlung
Ursachenanalyse Identifizierung der Schwachstellen (Technik, Ablauf, …)
potentielle Probleme (Was, Wo, Wann und Ausmaß)
* Abklären der Interessen des Lieferanten und des OEM (SOP-Einhaltung mit welchen Kompromissen)
Erforschung der Hintergründe und Interessen
Maßnahmenplanung Entwicklung und Bewertung von Lösungsszenarien
Identifizierung denkbarer Ursachen und vorbeugender Maßnahmen
Planen von Eventualmaßnahmen (Risikoabsicherung)
Sofortmaßnahmen definieren ("Quick win")
Erarbeiten von Optionen und Lösungen
Umsetzungsentscheidung Gemeinsamen Maßnahmenplan abstimmen
Zustimmung von allen relevanten Stakeholdern einholen
Abschluss – Vereinbarung und Maßnahmensicherung
Konfliktdeeskalation Kurzfrist-/ andere Verbesserungsmaßnahmen umsetzen
Umsetzungserfolg kontrollieren
Kommunikationsmanagement
Neuorganisation Projektarbeit
Projektübergabe Rückdelegation an Projektteam
Lessons Learned Workshop
* Projektabschluss Projektsanierer

Praxisbeispiel Mediation bei einer Projektsanierung – "Gesicht wahren"

Bei einem anderen Sanierungsprojekt konnten Gastanks bis kurz vor Serienstart noch nicht prozesssicher dichtgeschweißt werden. Es gab bei Testfahrten Leckagen, die einen zeitaufwendigen Austausch des Gastanks erforderten. Die Teile wurden von einem Unterlieferanten hergestellt. Der Unterlieferant hatte Vorversuche durchgeführt und ein Schweißverfahren ausgewählt, dass in seinem Haus verfügbar war und aus seiner Sicht gute Ergebnisse erzielte. Die Verantwortung für das Bauteil oblag dem Tier-1 Lieferanten.

Der Schweißexperte des OEMs empfahl ein anderes Schweißverfahren, das auch in der Literatur als robusteres Verfahren ausgewiesen wurde. Der Sachverhalt schien eindeutig zu sein, sodass zur Problemlösung nur das Schweißverfahren geändert werden musste. Als ich den Sachverhalt mit dem Leiter Prototypenbau durchsprach wurde mir klar, dass eine Änderung des Schweißverfahrens aus persönlichen Gründen für ihn nicht so einfach möglich war: Er hatte Angst, die Änderung des Schweißverfahrens gegenüber seinem Vorgesetzten zu kommunizieren. Der Lieferant hatte in den vergangenen zwei Jahren viel Geld investiert, sodass es für den Bauteilverantwortlichen schwierig war, eine Fehlentscheidung zu rechtfertigen, ohne persönliche Konsequenzen zu riskieren.

Es wurden unter einem Vorwand neue Vergleichsschweißungen vereinbart und es zeigte sich, dass das neue Schweißverfahren einen robusteren Prozess aufwies. Das Schweißverfahren für die Serienfertigung wurde umgestellt und jeder konnte sein Gesicht wahren – das Problem wurde kurzfristig gelöst.

Projektsanierung – Umgang mit Emotionen

Die Gefährdung des SOP bedeutet für den OEM und dessen Lieferanten ein großes wirtschaftliches Risiko. Daher ist jeder bestrebt, den SOP unter allen Umständen einzuhalten. An der Komplexität des Produkts allerdings scheitern kurz vor dem SOP die wenigsten Projekte. Eine Gefährdung des SOP zeichnet sich nicht erst zum SOP ab und diese vorangegangene Zeit kann als Projektkrise charakterisiert werden, die sich zu einem Konflikt entwickeln kann. Jede Krise muss sich aber nicht zu einem Konflikt entwickeln.

Eine Projektkrise hat viele Ursachen, die aber häufig auf menschliche Fehler zurückzuführen sind. Dies kann beispielsweise damit beginnen, dass das Projekt nicht ausreichend geplant und auch kein Risikomanagement durchgeführt wurde. Zusätzlich fehlende Kommunikation und nicht funktionierendes Änderungsmanagement können die Krise beschleunigen.

Die Konfliktsituation wird von allen Beteiligten als sehr emotional wahrgenommen. Die Sacharbeit wird ersetzt durch Schuldzuweisungen. Das Projektteam ist im Regelfall nicht mehr fähig, das Projekt zu sanieren. Nur ein interner oder externer Troubleshooter mit entsprechender Erfahrung sowie ausreichender Stressresistenz kann die Situation beruhigen und zusammen mit allen Beteiligten (einschließlich OEM) Problemlösungen erarbeiten.

In einem emotionalen Konfliktumfeld ist das Mediationsverfahren ein probates Mittel zur Sanierung eines Projekts. Der Ablauf der Projektsanierung kann in Anlehnung an das fünfstufige Verfahren aus der Wirtschaftsmediation und der Ergänzung durch die Konfliktdeeskalation sowie der Projektübergabe beschrieben werden. Aus Zeitgründen kann es im Einzelnen erforderlich sein, von der Vorgehensweise abzuweichen und kurzfristig die Situation zu verbessern. Das Mediationsverfahren eröffnet aber die Erarbeitung nachhaltiger Lösungen, die auch über den SOP hinaus eine gute Zusammenarbeit ermöglichen.

Chance Konfliktbewältigung

Projektkrisen haben nicht nur Risiken, sondern auch Chancen. Sofern der Lieferant aus seinen Fehlern lernt und dieses Wissen auch umsetzt, ist er für die Zukunft besser aufstellt. Die Kommunikationsprozesse können innerhalb der Firma angepasst, das Projektmanagement und die gesamte Projektorganisation können zielorientiert verbessert werden. Zusätzlich bietet ihm der Konflikt die Chance, seinen Kunden besser verstehen zu lernen, so dass er zukünftig seine Produkte zielgerichteter anbieten kann. In der Regel hat ein Zulieferer nach erfolgreicher Projektsanierung beim OEM an Reputation gewonnen.

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„Ich berate Sie gerne per Mail an g.graen@gp-pm.de oder nutzen Sie mein Angebot, ein Gespräch unter der Rufnummer +49 163 - 55 39 66 1 zu führen.“

Dr.-Ing. Gerhard Graën PMP

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